Das derzeit älteste Einsatzfahrzeug im Bestand der Attendorner Feuerwehr wurde genau heute vor 40 Jahren feierlich in Dienst gestellt – sein Fahrgestell ist sogar beeindruckende 42 Jahre alt. Ein Blick in die lange Geschichte des heutigen Gerätewagen Wasserrettung.
Entwicklungen im Zivil- & Katastrophenschutz
Nachdem die Aufgaben des Zivilschutzes im Jahre 1968 nach Auflösung des Luftschutzhilfsdienstes in den „erweiterten Katastrophenschutz“ überführt und in die organisatorische Verantwortung des damaligen „Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz“ (BzB) gelegt wurde, entstanden neue Ideen zur taktischen und technischen Ausrichtung. Der Brandschutzdienst im Katastrophenschutz wurde fortan in zwei verschiedenen Typen von spezialisierten Löschzügen organisiert, welche aus jeweils zwei Löschgruppenfahrzeugen LF 16-TS und einem Führungstrupp mit Zugtruppfahrzeug bestehen sollten und durch Sonderfahrzeuge entsprechend spezialisiert wurden. Der Löschzug „Löschen und Retten“ wurde ergänzt durch einen Rüstwagen „RW 1“, der Löschzug „Löschen und Wasserförderung“ um einen Schlauchwagen „SW 2000“.
Mit zunehmendem Individualverkehr und massiv anwachsenden Unfallzahlen stieg der Bedarf an Rüstfahrzeugen in den 70er Jahren immens an. Zu Beginn des Jahrzehnts starben jährlich über 20.000 Menschen auf Deutschlands Straßen.
Um diesen Bedarf auch kurzfristig decken zu können, entschied sich das BzB daher, parallel zur angelaufenen Beschaffung mehrerer Rüstwagen-Prototypen, zum kurzfristigen Umbau von 412 bereits vorhandenen Vorauslöschfahrzeugen auf Unimog-Fahrgestell zu Hilfsrüstwagen.
Zu Beginn der 1980er Jahre sollte dann die Beschaffung „richtiger“ Rüstwagen durch den Bund in den Fokus rücken. Das neue „Bundesamt für Zivilschutz“ (BZS), seit 1973 die Nachfolgebehörde des BzB, vergab 1981 einen letzten Auftrag für einen Prototyp auf Magirus-Deutz-Fahrgestell an die Odenwaldwerke.
Die erste Serie Bund-RW 1, Fahrgestell und Aufbau
Ein Jahr später ging dann der Auftrag für die erste, insgesamt 70 Stück umfassende Serie allerdings an die Firma Voll Karosseriebau in Würzburg. Beim Fahrgestell fiel die Wahl auf den bereits vom letzten Prototyp bekannten Magirus Deutz M 130 7 FAL. Aus dieser Serie stammt auch das Fahrzeug der Attendorner Feuerwehr.
Beim verwendeten Fahrgestell handelte es sich um den Ulmer Gegenentwurf zum Unimog des schwäbischen Nachbarn Mercedes-Benz. Allradantrieb, Untersetzung, Quer- und Längssperren, Einzelbereifung, Portalachsen… – noch heute lässt die Konzeption des Fahrzeuges die Herzen all derer höherschlagen, die auf der Suche nach einem hoch geländegängigen Gefährt sind. Einzig die 96 kW (130 PS) Leistung, die der 6-Zylinder Reihen-Motor aus den gut sechs Litern Hubraum holt, waren für die zügige Vorwärtsfahrt in der hügeligen Landschaft des Sauerlands praktisch noch nie so richtig geeignet.
Bei den 1982 gebauten Fahrzeugen handelt es sich übrigens um die letzten Auslieferungen, deren Kühlergrill von dem markanten Markenzeichen, der Silhouette des Ulmer Münsters und dem großen Magirus-Deutz Schriftzug geprägt wurde. Schon Mitte der 70er war die Eingliederung in die IVECO Unternehmensgruppe begonnen worden und ab 1983 dominierte der in Attendorn bestens bekannte IVECO Schriftzug dann auch die Front neuer Fahrzeuge.
Auf das Fahrgestell baute die Firma Voll Karosseriebau in Würzburg-Heidingsfeld einen Kofferaufbau mit fünf Geräteräumen zur Aufnahme des Beladungssatzes „RW 1“. Die aus der hohen Bodenfreiheit resultierende große Aufbauhöhe wurde durch umliegende Klapptritte kompensiert, sodass eine einfache Entnahme der Geräte aus den vorhandenen Fächern problemlos möglich ist. Vom Fahrzeugmotor angetrieben wird eine maschinelle Zugeinrichtung mit 50 kN Zugkraft und einer Seillänge von 55 Metern sowie ein festeingebauter Stromerzeuger.
Nach zwei Geschäftsübernahmen, zunächst 1984 durch die britische Firma Hammond, später durch die griechisch-zypriotische Familie Levitis, wurde der Schwerpunkt der geschäftlichen Ausrichtung des Karosseriebauers mehrfach geändert. Das Geschäftsmodell ging allerdings nicht mehr auf und im Jahr 1992 endete die 66-jährige Geschichte der Karosseriefabrik Voll.
Stationierung in Attendorn
Am Samstag, 12. Mai 1984 fand um 16:00 Uhr die offizielle Übergabe des neuen RW 1 am Feuerwehrgerätehaus in Attendorn statt. Die lokale Presse berichtete von einer neuen Konstruktion, die „militärisch belastbar“ sei. Und tatsächlich: auf den ersten Blick fällt die für Feuerwehrfahrzeuge eher untypische Dachluke auf, die dem Beifahrer von Militär-LKW, auf dem umgeklappten Sitz stehend, die Bedienung eines, auf einer Drehringlafette montierten Maschinengewehrs auf dem Fahrzeugdach ermöglicht.
Im Katastrophenschutz wurde freilich nie geschossen. Hier kann die Dachluke als Notausstieg oder zum Beispiel zur Erkundung bei Fahrten in überfluteten Gebieten genutzt werden. Bei modernen Waldbrand-Tanklöschfahrzeugen ist eine solche Luke übrigens heute wieder etabliert, hier kann der Beifahrer zum Beispiel während der Fahrt Löschmaßnahmen mit einem nach vorne aufs Dach geführten Strahlrohr durchführen. So ausgestattet sind nun auch wieder die insgesamt drei neuen Tanklöschfahrzeuge TLF 3000 für die Attendorner Feuerwehr auf Unimog Fahrgestell, von denen im vergangenen Jahr bereits das erste im Löschzug Ihnetal stationiert werden konnte.
Vom zentralen Standort beim Löschzug Attendorn rückte der Rüstwagen in den folgenden zwei Jahrzehnten zu unzähligen technischen Hilfeleistungen im gesamten Stadtgebiet aus. Gerade in den 80er und 90er Jahren vor allem zu sehr vielen, sehr schweren Verkehrsunfällen mit zahlreichen schwer verletzten oder getöteten Personen.
Mitte der 80-er Jahre wurde der Rüstwagen, wie alle Fahrzeuge aus der ersten Serie, im Auftrag des Bundesamtes für Zivilischutz umgebaut. Dazu wurde das Fahrzeug von zwei Kameraden des Löschzuges Attendorn nach München zur Firma Lentner überführt. Nach Umbau des heckseitigen Geräteraums fand dort ein hydraulischer Rettungssatz Platz, dessen Einsatz im Verlauf der Jahre zur Rettung zahlreicher Menschenleben beitrug. In Kombination mit dem eingebauten 12,5 kVA Stromerzeuger handelte es sich nach dem Umbau um einen Rüstwagen der absolut auf der Höhe der Zeit ausgestattet war.
Gurtpflicht, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Absenkung der Promillegrenze und massive technische Weiterentwicklung der Fahrzeuge – die rechtliche und technische Weiterentwicklung des Straßenverkehrs sorgte dafür, dass im Jahr 2021 „nur noch“ rund 2.500 Menschen jährlich auf Deutschlands Straßen tödlich verunglückten: ein Rückgang von fast 90% seit den oben beschriebenen frühen 70er-Jahren! Auch in der Einsatzstatistik der Attendorner Feuerwehr sind Verkehrsunfälle mit eingeklemmten Personen deutlich rückläufig, kommen aber natürlich weiterhin vor.
Ein neues Kapitel: der Rüstwagen wird zum Gerätewagen Wasserrettung
Im September 2004 stellte die Attendorner Feuerwehr im Löschzug Attendorn ein neues Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug HLF 20/16 in Dienst. Das Neufahrzeug ersetzte ein seinerzeit 28 Jahre altes Löschgruppenfahrzeug LF 16 (Mercedes-Benz/Ziegler) und den Rüstwagen RW 1 und vereinte die Funktionen Brandbekämpfung und technische Rettung auf einem modernen Fahrzeug für den Erstangriff.
Während das LF 16 in den Bestand des Attendorner Feuerwehrmuseums wechselte begann für den Rüstwagen ein zweiter und -wie wir heute wissen- sogar längerer Lebensabschnitt in neuer Funktion als Gerätewagen Wasserrettung. Dafür wurde das Fahrzeug bei der Löschgruppe Neu-Listernohl stationiert, welche aufgrund der Nähe zur Bigge- und Listertalsperre bereits vorher die Sonderfunktionen Wasserrettung und technische Hilfeleistung auf Gewässern übernommen hatte.
Erste und unumgängliche Modernisierungsmaßnahme am Fahrzeug: die Drehspiegelleuchten der Firma Bosch auf dem Fahrzeugdach wichen zwei modernen und vor allem flachen Doppelblitzkennleuchten „Nova S“ der Firma Hänsch. Grund dafür war aber nicht etwa die erheblich höhere Sichtbarkeit bei Tag und Nacht, sondern die Tatsache, dass das Fahrzeug ansonsten bis heute nicht in die Fahrzeughalle des völlig in die Jahre gekommenen Feuerwehrgerätehauses in Neu-Listernohl passen würde.
Mit der Einführung des digitalen Sprechfunks für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in den Jahren 2016/2017 wurde zudem die analoge Funkanalage gegen ein digitales Fahrzeugfunkgerät ausgetauscht. Außerdem wurden die Rücklichter sowie die ausklappbare Umfeldbeleuchtung auf LED-Technik umgestellt. Ansonsten befindet sich das Fahrzeug mit Ausnahme einiger ausgetauschter Verschleißteile weitestgehend im Auslieferungszustand.
Deutlich verändert hat sich jedoch die Beladung. Wer heute den rückwärtigen Geräteraum öffnet findet anstelle des hydraulischen Rettungssatzes u.a. einen Außenbordmotor für ein Schlauchboot und Material zur Errichtung einfacher Ölsperren.
Aber auch der Blick in alle anderen Geräteräume offenbart die aktuelle Nutzung und einsatztaktische Ausrichtung des Fahrzeuges: Rettungswesten, Bojen, Wurfleinen, Überlebensanzüge, ein Sonargerät… die spezifische Ausrüstung des Fahrzeuges ermöglicht den Einsatz in und auf Gewässern. Dafür steht neben dem Gerätewagen auch ein Mehrzweckboot und ein Schlauchboot zur Verfügung. Nach über 30 Betriebsjahren konnte das Mehrzweckboot, welches vor vielen Jahren vom Ruhrverband übereignet wurde, im vergangenen Jahr durch ein modernes Boot ersetzt werden.
Die Zukunft des Gerätewagens ist derzeit allerdings noch ungewiss, da ein mögliches Neufahrzeug, welches nach aktueller Planung u.a. über einen Mannschafsraum für sechs Einsatzkräfte verfügen sollte, nicht in die vorhandenen Räumlichkeiten passt. Die derzeitige Situation auf dem Fahrzeugmarkt mit extrem langen Lieferzeiten sorgt zudem dafür, dass man heute, sofern kein massiver Schaden am Fahrzeug auftritt, davon ausgehen kann, dass auch ein 45jähriges Dienstjubiläum des Fahrzeuges im Rahmen des Möglichen ist.